Ausgleichszahlungen aus dem Corona-Schutzschirm unpfändbar?
Warum sind die Ausgleichszahlungen aus dem Corona-Schutzschirm unpfändbar? Und was geschieht mit dem jeweiligen Betrag, wenn dieser nach Freigabe des Geschäftsbetriebs gem. § 35 Abs.2 InsO auf dem P- Konto des Betroffenen bereits gutgeschrieben worden ist? Die Antworten auf diese Fragen finden Sie im folgenden Artikel.
In dem vom 26.4.2020 ergangenen Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg nimmt die Rechtsprechung Ihre Stellung zur Freigabe der Ausgleichszahlungen aus dem Corona-Schutzschirm bzw. der Corona-Soforthilfe nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Die Beschlussfassung lautet:
„Hat der Insolvenzverwalter die Erklärung gem. §35 Abs.2 InsO abgegeben und erhält der Schuldner sodann für seinen freigegebenen Geschäftsbetrieb eine Ausgleichszahlung aus dem Corona-Schutzschirm, so fällt dieser Anspruch nicht in die Insolvenzmasse“
Zunächst ein paar wichtige Leitsätze aus dem Urteil:
- Die Ausgleichszahlung gem.§ 2 Abs.1 COVID-19-Vst-SchutzV stellt einen § 851 Abs.1 ZPO unpfändbaren Anspruch dar
- Die jeweiligen Beträge können freigegeben werden
- Der Schutz des Schuldners wird über die Anwendung des § 765a ZPO erreicht
Warum sind die Ausgleichszahlungen unpfändbare Ansprüche?
Der Gesetzgeber sieht zunächst in § 851 Abs.1 ZPO die Unpfändbarkeit von nicht übertragbaren Forderungen vor. Zu den nicht übertragbaren Forderungen gehören in jeder Hinsicht höchstpersönliche Ansprüche, d.h. solche Ansprüche, die derart eng mit einer bestimmten Person verbunden sind, dass sie gerade ihren Sinn nur für diese Person haben können. Dazu zählen die jeweiligen Unterhaltsansprüche eines Kindes gegen seine Eltern, die Urlaubsansprüche usw.
Außer dem höchstpersönlichen Charakter erkennt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Unpfändbarkeit von zweckgebundenen Ansprüchen an ( „zweckgebundenes Pfändungshindernis“, BGH v. 05.11.2004). Das heißt: soweit dem Schuldner ein Anspruch zusteht, dessen Inhalt einen bestimmten Zweck verfolgt, welcher mit dem Gläubigerzugriff aber verloren ginge, so ist dieser Anspruch nach § 851 Abs.1 ZPO unpfändbar.
In dem Verfahren vor dem Amtsgericht Charlottenburg macht die Insolvenzschuldnerin geltend, dass ihr zunächst ein Anspruch auf die Ausgleichszahlung aus dem Corona-Schutzschirm gem. § 2 Abs.1 COVID-19-Vst-SchutzV zusteht. Der Zweck dieser Maßnahme besteht gerade in der „Sicherung der wirtschaftlichen Existenz des Begünstigten“ aufgrund von durch die Corona-Pandemie ausgelösten finanziellen Schwierigkeiten, so dass die Ausgleichszahlung vom Gläubigerzugriff ausgeschlossen ist.
Freigabe entsprechend dem Rechtsgedanken des § 850k Abs.4 ZPO
Der Zweck dieser Schutzmaßnahme würde allerdings in dem Moment verloren gehen, als der Betrag auf dem gepfändeten Konto des Insolvenzschuldners gutgeschrieben wird. Ist ein Konto bereits gepfändet worden, so hat die Bank mit Eingang des Betrags auf dem Konto des Schuldners grundsätzlich einen Auszahlungsanspruch gegen den jeweiligen Kontoinhaber in Höhe des eingegangenen Betrags.
Daraus ergibt sich somit Folgendes: das Konto ist gepfändet worden, aber der eingegangene Betrag ist an sich unpfändbar. Damit dem Schuldner ein ausreichender Schutz gewährt wird, soll die Regelung des § 850k Abs.4 ZPO über die Freibeträge auf einem P-Konto entsprechende Anwendung finden. Auch bei der Kontopfändung sollen Freibeträge, die Arbeitseinkommen und gleichgestellte Einkünfte betreffen, angepasst werden. (Mehr zum Thema P-Konto erfahren Sie hier)
Der Schutz des Schuldners wird über die Anwendung des § 765a ZPO auch in der Insolvenz erreicht
Obwohl die Ausgleichszahlung aus dem Corona-Schutzschirm bzw. der Corona Sofort-Hilfe nicht von § 850k Abs.4 ZPO erfasst wird und im vorliegenden Fall keine Anpassung des Freibetrags nach dieser Vorschrift erfolgen kann, bleibt der Schuldner jedoch nicht schutzlos. Die Rechtsprechung zieht den Gedanken des § 765a ZPO heran:
„Die Auszahlung der genannten Ausgleichszahlung an die Insolvenzverwalterin würde eine Maßnahme darstellen, welche unter voller Würdigung seines Schutzbedürfnisses wegen ganz besonderer Umstände eine nicht mit den guten Sitten zu vereinbarende Hürde für die Schuldnerin bedeuten würde“.
Sie können daher als Betroffener die Hilfe beantragen und die jeweilige Ausgleichszahlung auf Ihr P-Konto auszahlen lassen. Auf Antrag wird das Gericht den Betrag freigeben.